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Sissy Max-Theurer

Pferde haben es Elisabeth, genannt Sissy Max-Theurer, angetan. Von Kindesbeinen an. Vorgeprägt war diese Liebe jedoch nicht, schon gar nicht durch ihre Eltern, den Industriellen und Erfinder Dr. Josef Theurer und die Lehrerin Dorothea Theurer.

Rückblickend muss es wohl die zufällige Begegnung mit Reitern während eines Spaziergangs zusammen mit ihrer Mutter im Wald gewesen sein, die das Feuer entfachte. Von da ab gab es jedenfalls kein Halten mehr. Sissy Theurer wollte reiten lernen. Unbedingt!

Der stattdessen geschenkte Cockerspaniel wurde zwar auch heiß geliebt, war aber kein Ersatz. Und die elterliche Strategie, erste Longenstunden würden zu einem „wunden Hintern“ und damit zum Ende der Pferdeobsession führen, erwies sich ebenfalls als Irrtum. 

Vom ersten Reitunterricht 1966 in der Höldrichsmühle in Hinterbrühl bei Wien bis zum Titel der Europameisterin 1979 im dänischen Aarhus und zum Olympiasieg 1980 in Moskau war es aber ein langer Weg. Und ein steiniger noch dazu.

1968 bekam Sissy Theurer ihr erstes Pferd. Den kleinen Lipizzaner Pluto Alda. Da „Flotzi“ von den aufkeimenden turniersportlichen Ambitionen seiner Reiterin nicht viel hielt, kamen noch Lady und eine weitere Stute hinzu. Dennoch musste Sissy Theurer divers mit dem letzten Platz vorlieb nehmen. 

Doch dann ging es voran. Aus 1971 datiert der erste Sieg in der Landes-Jugendmeisterschaft. Genau wie Erfolge in L/M-Springen. Am Ende fehlt für eine Karriere im Parcours aber der Mut.

Richtig Fahrt nahm die Karriere von Sissy Theurer auf, als sie ab 1973 von dem Ampflwanger Hans Max trainiert wurde. Schon 1968 war man sich beim Frühjahrsturnier des Welser Reiterbundes begegnet: die damals Zwölfjährige Reitenthusiastin und der Autodidakt und Ausnahmekönner im Sattel. Fünfzehn Jahre später heiraten die beiden.   

Doch noch ein glücklicher Zufall sollte später eine wichtige Rolle spielen. 1973 bekam die Sissy Max-Theurer beim Kauf des Hannoveraners Le Fort, von dessen Besitzer Hans Schwelm, Neuss, noch den jungen Rappschimmel Mon Cherie geschenkt.

Doch erst einmal eroberte Sissy Max-Theurer auf ihrem Rappen Mascagni das große Viereck und schaffte den Sprung ins Österreichische Junioren-EM-Team.

Zahlreiche Erfolge schlossen sich an, die wertvollsten davon auf Mon Cherie. Dessen erste Schritte verliefen enttäuschend. Hans Max, divers mit seinem Ausbilder-Latein am Ende, was etwas heißen mag - empfahl sogar den Verkauf – aber „Geschenke verkauft man nicht“. Und so durfte Mon Cherie bleiben. 

Beharrliche Arbeit ließen den Schimmel zu einem Dressurpferd internationalen Formats reifen, mit absoluten Höhepunkten in der Piaffe-Passage-Tour und den Pirouetten. Bei der Europameisterschaft 1979 in Aarhus/DEN dann die Sensation: die Newcomer Mon Cherie und Sissy Max-Theurer düpieren die gesamte Dressurelite, allen voran die bis dahin als unschlagbar geltende Christine Stücklberger aus der Schweiz. Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau kam gleich das nächste Gold hinzu.

Die Zahl der Siege und Platzierungen, die Sissy Max-Theurer in Zusammenarbeit mit ihrem Mann und Trainer Hans Max-Theurer erreichte, ist beeindruckend: In der Zeit von 1978 bis 1984 gewann die staatlich geprüfte Reitlehrerin sechsmal die Österreichische Staatsmeisterschaft, war international in Aachen/GER, Rom/ITA, Berlin/GER, München/GER, Kopenhagen/NED, Goodwood/GBR und Paris/FRA erfolgreich und belegte mit Acapulco 1983 Platz zehn in der Einzelwertung bei der EM in Aachen und 1984 Platz elf bei den Olympischen Spielen in Los Angeles/USA.

Nach der Geburt der Tochter Victoria 1985 und des Sohnes Johannes 1987 schaffte sie vier Jahre später das Comeback. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona/ESP wurde sie auf Liechtenstein Achte im Dressurfinale. Nach Platz zwölf in der Einzelwertung bei den Weltreiterspielen 1994 in Den Haag/NED beendete sie ihre aktive Laufbahn.

Seitdem unterstützt sie ihre Tochter Victoria, die von 1995 an im Viereck von Erfolg zu Erfolg reitet. Erst bei den Junioren und dann direkt im Seniorenlager. Sohn Johannes hat sich, ganz gegen die familiäre Tradition, nicht den Pferden, sondern den Fischen verschrieben. Er angelt leidenschaftlich gern. Inzwischen hat er die Leitung des großväterlichen Unternehmens übernommen. 

Sissy Max-Theurers Herz schlägt auch für die Pferdezucht. Auf dem von ihr gezogenen Augustin OLD siegte ihre Tochter Victoria im Burg-Pokal und belegte Rang fünf bei der EM, Platz sechs bei den WEG und Rang 13 bei den Olympischen Spielen. 2009 erwarb Sissy Max-Theurer für ihre Stuten Gestüt Vorwerk in Cappeln/GER, um es, ganz gemäß dem Wunsch der letzten Besitzer Gudula Vorwerk-Happ und Jochen Happ, als Zuchtstätte zu erhalten.

Seit 2002 firmiert Sissy Max-Theurer als Präsidentin des Österreichischen Pferdesportverbandes (OEPS) tätig. Zudem bringt sie als Turnierveranstalterin, internationale 5*-Richterin, Vizepräsidentin des Österreichischen Olympischen Comites und als großzügige Unterstützerin sozialer Projekte sowie Maßnahmen zum Tierschutz stets ihre ganze Kraft und ihr enormes Fachwissen ein. 

Hans Max-Theurer

Hans Max, am 17. August 1942 in Wels geboren, kam vergleichsweise spät zum Pferd. Nach einem Ausritt auf dem Schimmelhengst Silver. 14 war er da. Bis dahin eher ein Unterwasserwelt-Fan. Taucher wollt er werden. Doch nach dem Ritt auf Silver war plötzlich alles anders. Vom Vater vor die Wahl gestellt, "Moped oder Pferd?", entschied sich der vom Pferdebazillus Infizierte klar - für ein Pferd! Selbst während seiner Lehre zum Bau- und Kunstschlosser ließen ihn die Pferde nicht ruhen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Schon um fünf Uhr morgens ging er in den Stall, um sie noch vor der Arbeit zu versorgen und zu reiten.

Erste Sporen verdiente sich Hans Max bei Kavallerie-Offizier Wilhelm Pichler. "Du gehörst runtergeschossen, so schlecht reitest du. Aber du hast Talent. Ich bring es dir bei. Du wirst viel leiden." Monatelanges Sitztraining an der Longe folgte. Ohne Zügel und ohne Bügel. Eine harte Schule. Aber auch ein Fundament, auf dem er aufbauen konnte – und dafür stets dankbar war.

Einen weiteren Trainer hat Hans Max nie gehabt. Er hat es sich selbst beigebracht. Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz, Selbstkritik und vor allem – heute würde man sagen- Horsemanhip. Diese Eigenschaften trieben ihn an – von der Klasse L bis zum Grand Prix. Bis tief in die Nacht hinein grübelte er über Probleme und ihre Lösung. Und gleich in der Früh schwang er sich wieder auf den Pferderücken, um es besser zu machen. 

1969 wurde ihm in Ampflwang eine Stellung als Reitlehrer angeboten. Er nahm an. Und lieferte prompt sein erstes Meisterstück ab: aus dem kleinen Ampflwanger Halblipizzaner Astor formte er ein Grand Prix-Pferd. Und das, ohne selbst jemals auf einem ausgebildeten Pferd Piaffe, Passage und Tempiwechsel erfühlt zu haben. Vorstellungskraft und Einfühlungsvermögen in das, was er bei anderen gesehen hatte. Das genügte ihm. Und brachte ihn sogar bis in den von Georg Wahl trainierten Bundeskader und zu den Weltmeisterschaften in Kopenhagen, an denen er 1974 auf Astor teilnahm. 

Seine 1971 in der Spanischen Hofreitschule begonnene Bereiterlehre brach Hans Max dagegen ab. Nach nur neun Tagen. Der Ausbilder zahlreicher S-Pferde wollte nicht wieder mit Longenstunden "bei Null" anfangen.

1968 hatte Hans Max die Bekanntschaft von Elisabeth „Sissy“ Theurer gemacht. 1974 übernahm er das Training der aufstrebenden jungen Reiterin. Sie sollte seine erfolgreichste Schülerin werden: EM-Gold 1979 in Aarhus, Olympia-Gold 1980 in Moskau, weitere Top-Ten-Platzierungen bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen und sechs Österreichische Staatsmeister-Titel gehen auf das Konto des Erfolgsduos.

1983 gaben sich Hans und Sissy – nun Max-Theurer – das Ja-Wort. Zwei Jahre später wurde Tochter Victoria geboren. 1987 folgte Sohn Johannes. Während Johannes eher den Fischen (an der Angel) zugetan ist – und inzwischen die Leitung des großväterlichen Unternehmens, eines Globalplayers im Bereich Gleis- und Maschinenbau, übernommen hat, teilt Victoria die elterliche Pferdebegeisterung. Unter der Trainerägide ihres Vaters stehen vier EM-Medaillen bei den Junioren, zahlreiche Teilnahmen an Welt- und Europameisterschaften (darunter Platz fünf bei der EM in Windsor und Rang sechs bei der WM in Caen) und die Teilnahme an vier Olympischen Spielen (mit Rang 13 in Londoner Kürfinale) zu Buche.

 

Dutzende Dressurpferde hat Hans Max-Theurer an die Spitze geführt, darunter mit Mon Cherie, Acapulco, Liechtenstein und dem von Sissy Max-Theurer selbstgezogenen Augustin OLD vier Pferde, die bei Olympischen Spielen im Finale standen. Aufgrund seiner Erfolge wurde ihm der Titel Reitmeister verliehen. Täglich stieg er in den Sattel und ritt drei bis fünf Pferde. Sein Trainingsgeheimnis? "Ich war immer auf mich selbst angewiesen, habe gelesen, habe probiert und über so manches Problem nächtelang nachgedacht." Sein Trainergeheimnis? "Ich will keine Marionettenreiter erziehen, die nur das fühlen, was von unten gesagt wird." Und die von ihm bevorzugten Pferde? "Alle Spitzenpferde sind auf ihre Art schwierig, aber nicht alle schwierigen Pferde sind Spitzenpferde. Als Ausbilder muss man das annehmen, was das Pferd von sich aus anbietet und seine Energie zu nutzen wissen."

Seine fachliche Expertise, aber auch seine menschlichen Qualitäten des eher stillen, dafür aber umso genaueren Beobachters waren geschätzt. So leistete Hans Max-Theurer für den Österreichischen Pferdesportverband als Ausbildungsreferent jahrzehntelang wertvolle und visionäre Arbeit.

Hans Max-Theurer war nicht nur Pferdemann und Trainerikone. Er fand auch immer noch Zeit für eine weitere große Leidenschaft, die Kunst des Mittelalters. Mit viel Sachkenntnis und ebenso viel Leidenschaft sammelte er Antiquitäten und staffierte damit die beiden familieneigenen Schlösser in Achleiten und Kammern aus.

Am 12. August 2019, sechs Tage vor seinem 77. Geburtstag, verstarb Hans Max-Theurer plötzlich und unerwartet. 
 

Victoria Max-Theurer

Topy, Black Jack und Lucky Luke. So hießen die Ponys, auf denen Victoria Max-Theurer als Kind reiten lernte. Und auch gleich ihre ersten Turnierschleifen gewann. Ihr Vater Reitmeister Hans Max-Theurer war es, der sie anleitete. Von ersten Sitzübungen auf dem Ponyrücken bis zur Teilnahme an Olympischen Spielen.   

Den Ponys entwachsen, waren es fortan Agrigento und Falcao OLD, mit denen sich Victoria Max-Theurer bis in die Europäische Spitze des Juniorensports emporarbeitete. Bilanz; von 1999 bis 2001 sechsmal EM-Bronze, 2002 sogar zweimal EM-Silber. 

Arigento und Falcao OLD waren es aber auch, mit denen Victoria Max-Theurer den Sprung in die Grand Prix-Klasse schaffte. Und den ersten von insgesamt 13 österreichischen Staatsmeistertiteln gewann. Es gesellte sich noch Weinrausch mit hinzu. 2003 schaffte sie die Quali für die EM und war in Hickstaed/GBR mit ihren gerade mal 17 Jahren jüngste Teilnehmerin. Als Mannschafts-„Küken“ lieferte sie das zweitbeste Ergebnis im Team Austria ab. Rang sieben im Teamklassement bedeutete die Olympia-Qualifikation. Erstmals wieder seit 1984 durfte eine Equipe der Alpenrepublik zu Olympischen Spielen reisen. 2004 in Athen/GRE war Victoria Max-Theurer mit ihren 18 Jahren die jüngste Dressurreiterin aller Zeiten, die in ein Olympisches Viereck einritt. 

2005 bedeutete Platz 21 bei der EM in Hagen a.T.W./GER erneut die höchste Rangierung innerhalb des an zehnter Stelle platzierten Österreichischen Teams. Ihre ersten Weltreiterspiele 2006 in Aachen/GER endete sie mit Falcao OLD auf 19. Platz im Grand Prix.

2007 stand sie bei der EM in Turin/ITA erstmals ins Kür-Finale der besten 15. 2008 ging sie bei ihren zweiten Olympischen Spielen an den Start - diesmal in Hongkong.

Es folgte das Kapitel Augustin OLD. Mit dem von ihrer Mutter selbst gezogenen Hengst etablierte sich Victoria Max-Theurer in der Weltspitze: 2007 Gewinn des Nürnberger Burg-Pokals, 2009 Rang fünf bei der EM in Windsor/GBR und ebenfalls Platz fünf im Finale um die Meggle Champions Trophy von Dortmund/GER, 2010 Platz sechs im Großen Aachener Dressurpreis, 2011 Rang zwei im Meggle Champions Trophy-Finale von Dortmund/GER, 2012 Platz 13 im Londoner Olympia-Kür-Finale, 2013 Zwölfte in der Kür bei der EM in Herning/DEN und 2014 Rang sechs in der Einzel- und der Teamwertung bei den Weltreiterspielen in Caen/FRA.

Inzwischen verbuchte Victoria Max-Theurer mit ihren nachfolgenden Toppferden, allen voran der Burg-Pokal-Siegerin Blind Date FRH, Della Cavalleria OLD, Benaglio, Rockabilly, Abegglen FH NRW und Birkhof's Topas FBW, zahlreiche internationale Erfolge und vertrat ihre Landesfarben bei den Europameisterschaften 2015 in Aachen/GER, 2017 in Göteborg/SWE und 2021 in Hagen a.T.W., den Weltmeisterschaften 2022 in Herning/DEN und den Olympischen Spielen 2016 in Rio/BRA und 2021 in Tokio/JPN - ihren damit insgesamt fünften Spielen.

 

Zusammen mit ihrem Lebenspartner Stefan Lehfellner, der 2021 mit Roberto Carlos MT bei der WM in Herning/DEN sein erstes Championat für Österreich bestritt, trainiert Victoria Max-Theurer im heimischen Turnierstall Achleiten/AUT. Dabei werden beide von der Olympia-Multichampioness Isabell Werth unterstützt.